FAVRE – Betonrecycling schützt das Klima und spart Ressourcen

Warum brauchen wir eine neue Lösung?

Weltweit ist Beton der meistverwendete Werkstoff. Bei der Zementherstellung entsteht allerdings klimaschädliches Kohlendioxid (ca. 700 kg CO2 je Tonne Zement) und geeigneter Bausand als Ausgangsrohstoff wird immer knapper. In manchen Regionen der Welt bilden sich bereits mafiöse Strukturen, die Sand illegal von Küstenlinien und aus Flussbetten rauben. Der Ressourcenverbrauch an Sand und Kies, welcher für die Herstellung von Beton benötigt wird, beträgt jährlich rund 40 Milliarden Tonnen. Bildlich dargestellt könnte aus dieser Menge Sand eine Mauer mit einer Breite und Höhe von 27 Metern um den Äquator gebaut werden.

Allein in Deutschland fielen 2018 laut der Kreislaufwirtschaft Bau mehr als 218 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an. Grundsätzlich ließen sich aus dieser anthropogenen Rohstoffquelle die Rohstoffe recyceln. Bislang gibt es jedoch kein geeignetes Verfahren, mit dem Sand und Rohstoffe für die Zementherstellung in großem Stil aus Bauschutt zurückgewonnen werden können. Zurzeit werden lediglich acht Prozent des Abfalls im Sinne eines Recyclings wiederverwendet. Ungefähr 70 Prozent des Altbetons wird als Straßenunterbau verwendet. 

»Das ist aber kein Recycling, sondern ein Downcycling«, sagt Dr. Volker Thome, Leiter der Abteilung Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling am Fraunhofer IBP. Echtes Recycling wäre es nur dann, wenn aus Altbeton neben der Gesteinskörnung auch wieder Rohstoffe für die Zementproduktion gewonnen werden könnten. »Allein die Rückgewinnung von hochwertigen Zuschlägen aus Altbeton könnte die Recyclingquote ungefähr verzehnfachen und damit auf eine Quote von bis zu 80 Prozent steigern.«

Im Projekt FAVRE bereiten Dr. Thome und sein Team ein neues Verfahren zum Recycling von Bauschutt für die industrielle Anwendung vor. Den Forschenden ist es gelungen, mithilfe von »ultrakurzen Blitzen« Altbeton in seine Bestandteile zu zerlegen und ihn so aufzubereiten, dass die Fraktionen als klimafreundliche und ressourcenschonende Ersatzstoffe für die Zementherstellung zur Verfügung stehen.

Steigerung der Recyclingquote mineralischer Werk- und Baustoffe mit FAVRE

Wem nutzt die neue Technologie?

Die Technologie aus dem Projekt FAVRE könnte einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und den weltweiten Ressourcenverbrauch deutlich mindern. Für die Bauindustrie würde sich die Situation bei der Beschaffung von Rohstoffen entspannen. Mafiösem Handel mit Sand und illegalem Raubbau würde die Grundlage entzogen. Gleichzeitig würde sich der ökologische Fußabdruck von Betonbauten massiv verbessern: der im Recyclingverfahren gewonnene »sekundäre Kalk« ist im Vergleich zum üblicherweise verwendeten »primären Kalk« ein CO2-neutraler Ersatzrohstoff für die Zementherstellung.

Wie funktioniert die neue Lösung?

Das Verfahren zur Zerlegung von Bauschutt ist als »elektrodynamische Fragmentierung« bekannt. Stücke aus Altbeton werden in einem Wasserbad mithilfe von »ultrakurzen Blitzentladungen« in ihre Bestandteile zerlegt. Erzeugt wird der Hochleistungsimpuls von einem sog. Marx-Generator, welcher ultrakurze Hochleistungsimpulse mit Pulsdauern < 500 nsec) erzeugen kann.

Mineraloge Dr. Volker Thome erklärt den Mechanismus: »Wenn der elektrische Impuls auf den Beton trifft, dann suchen sich die Vorentladungen immer den Weg des geringsten Widerstands – entlang von Korngrenzen. Diese Vorentladungen schwächen das Gestein entlang seiner Phasengrenzen. Die erste Vorentladung, welche die Erdung erreicht, führt zu einem elektrischen Durchschlag und erzeugt Druckwellen. So werden die einzelnen Betonbestandteile schließlich voneinander getrennt. Das Material wird quasi auseinandergezogen, da im Vergleich zu mechanischen Methoden nur die Zugfestigkeit des jeweiligen Materials überwunden werden muss.«

Die Basis der Technologie wurde bereits in den 1950er Jahren entwickelt, lag aber für lange Zeit brach. Grund dafür war, dass bisherige Anwendungen wegen des hohen Energieverbrauches und dem geringen Durchsatz von ca. 1 t/h wirtschaftlich nicht rentabel waren. Den Forschenden am Fraunhofer IBP gelang es nun, ein energiesparendes Verfahren für den industriellen Einsatz zu entwickeln. Durch eine geschickte Anordnung mehrerer Elektrodenpaare in Kombination mit einem neuen Generatorentyp können große Mengen an Material pro Zeiteinheit zerlegt werden.

Schritte der Elekrodynamischen Fragmentierung zur Zerlegung von Bauschutt

Was macht das Projekt einzigartig?

Die Technologie, die die Forschenden im Projekt FAVRE entwickeln, soll erstmalig ein Bauschutt-Recycling im großen, industriellen Maßstab ermöglichen. Durch die Innovation des Fraunhofer IBP ist der Energieverbrauch des Recyclingprozesses im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren deutlich gesunken und wirtschaftlich lohnenswert. Die »elektrodynamische Fragmentierung« ermöglicht ein echtes Recycling von Altbeton ohne Qualitätsverluste. Zudem kann die neue Fragmentierungsanlage auch schwierig aufzubereitende Verbundmaterialien auftrennen. Mit den heute üblichen mechanischen Aufbereitungsmethoden lassen sich diese Verbundmaterialien (z. B. Stahlbeton) nicht vollständig zerlegen. Dieses Alleinstellungsmerkmal spiegelt sich auch im Projektnamen wieder: FAVRE bezeichnet die Fragmentierungs-Anlage für Verbundwerkstoff-Recycling.

Warum fördert die Fraunhofer-Zukunftsstiftung das Projekt?

Mit FAVRE fördert die Fraunhofer-Zukunftsstiftung eine Technologie, die im Sinne der Nachhaltigkeit zu einer deutlich effizienteren Kreislaufwirtschaft beitragen kann. Mit dem Recycling von Altbeton lassen sich in hohem Maße Ressourcen einsparen und der bereits bestehenden Rohstoffknappheit im Bau kann deutlich entgegenwirkt werden. Zudem kann die Technologie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten: Der im Recyclingverfahren gewonnene »sekundäre Kalk« ist im Vergleich zum üblicherweise verwendeten »primären Kalk« ein klimaneutraler Ersatzrohstoff für die Zementherstellung.

Weitere Projektbeispiele der Fraunhofer-Zukunftsstiftung

 

NexusHub

Wassersparender Pflanzenanbau und klimafreundliche Energieversorgung zusammendenken – das gelingt im Projekt NexusHub. Die kluge und praxisbezogene Kombination mehrerer robuster Technologien schafft Entwicklungs-Perspektiven...

 

EDDA

Nach Katastrophen z. B. nach Erdbeben, Tsunamis oder Hurrikans müssen Hilfsgüter unter immensem Zeitdruck im Krisengebiet verteilt werden, um notleidende Menschen rechtzeitig zu erreichen. Hilfsorganisationen sind meist binnen weniger Stunden vor Ort. Sie treffen jedoch auf eine höchst unübersichtliche Lage: zerstörte Straßen und Siedlungen oder Menschen die auf der Flucht sind. Um das Ausmaß der Katastrophe, die Anzahl der Hilfsbedürftigen und mögliche Rettungswege einzuschätzen, nutzen Notfallkoordinator:innen derzeit Satellitenbilder. Bis diese jedoch von der betroffenen Region verfügbar und ausgewertet sind, vergeht wertvolle Zeit.

 

WiBACK

Das Internet ist das Kommunikationsnetzwerk unserer Welt. Eine stabile Anbindung ans Internet ist Voraussetzung, dass Firmen, Krankenhäuser oder öffentliche Verwaltungen funktionieren. Doch weltweit haben 4 Milliarden Menschen noch keinen Zugang zum Internet. Sie sind offline und von der digitalen Teilhabe ausgeschlossen.