MAOmed – Entzündungshemmende Oberflächenbeschichtung verbessert die Verträglichkeit von Knochenimplantaten

Warum brauchen wir eine neue Lösung?

Implantate sind wirksame Hilfen, um verletzte Knochen zu stabilisieren oder Teile davon zu ersetzen. Allerdings kommt es mitunter zu schmerzhaften Infektionen, die den Heilungsprozess erschweren oder verhindern. Das Risiko dafür steigt bei stark verschmutzten Wunden, die besonders bei Kriegsverletzungen auftreten. Zugleich müssen gerade dort viele Knochenverletzungen versorgt werden. Derzeit kämpfen die Kliniken in der Ukraine mit vielen schlecht heilenden Knochendefekten, die zu dauerhaften Schäden führen können.
Forschende des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen möchten mit einer neuartigen Technologie helfen.

Wem nutzt die neue Technologie?

Das MAOmed-Projektteam hat eine neuartige, entzündungshemmende Beschichtung für Titanimplantate entwickelt, dank der Knochenverletzungen schneller heilen könnten und das Risiko für Komplikationen sinkt. Dadurch hätten Patienten nach dem Eingriff weniger Schmerzen und bessere Aussichten auf eine vollständige Genesung ohne Folgeschäden. Gleichzeitig entlastet eine rasche Heilung und problemfreie Therapie die Kliniken – insbesondere im Hinblick auf Personal und Bettenbelegung. Grundsätzlich lässt sich die innovative Beschichtungstechnologie weltweit einsetzen, um eine höhere Erfolgsrate etwa bei Hüft-, Knie- oder Zahnimplantaten zu erreichen.

Unterkieferimplantat mit entzündungshemmender Beschichtung
© Fraunhofer IFAM
Osteosynthese-Implantat für einen Unterkiefer, ausgerüstet mit einer mittels Micro-Arc-Oxidation hergestellten porösen Oberfläche

Wie funktioniert die neue Lösung?

Die Forschenden nutzen zur Herstellung der neuartigen Oberfläche die sogenannte Micro-Arc-Oxidation (MAO): Die Metallteile werden dafür in eine mit Silbersalzen versetzte leitfähige Flüssigkeit (Elektrolyt) getaucht und einer hohen elektrischen Spannung von bis zu 300 Volt ausgesetzt. Durch hochenergetische Plasmaentladungen bildet sich innerhalb weniger Minuten eine silberhaltige Oxidschicht auf dem Implantat. Dabei entstehen durch gezielte Stromführung Poren, in die Silber in Form von Nanopartikeln eindringt und sich absetzt. Diese poröse Struktur kann anschließend wie ein Schwamm Antibiotika oder andere Wirkstoffe aufnehmen.

MAO-Oberfläche eines Titanimplantats
© Fraunhofer IFAM
Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer silberdotierten porösen Micro-Arc-Oxidschicht auf Titan

Über die Wahl des Elektrolyten und die Prozessführung lässt sich die Größe und Struktur der Poren steuern – und damit die Wirkstoffdosierung beeinflussen. Nach Fertigstellung der MAO-Schicht tauchen die Forschenden die Metallteile in eine möglichst hochkonzentrierte Antibiotikum-Lösung. Durch Kapillarkräfte saugen sich die Poren gleichmäßig mit dem Wirkstoff voll, der im Anschluss im Körper wieder freigesetzt wird. Wie viel des Antibiotikums sich einlagert und wie rasch es wieder entweicht, hängt von der Porenbeschaffenheit ab.
Die MAO-Schicht erweist sich bei Kontakt mit lebendem Gewebe als gut verträglich und sorgt für rasches Einwachsen des Implantats in den Körper des Patienten.

Projektschritte
© Fraunhofer IFAM
In Labortests konnten die Forschenden genau nachvollziehen, wie das Antibiotikum kontrolliert über den gewünschten Zeitraum hinweg abgegeben und durch die beigefügten Silberpartikel in seiner Wirkung verstärkt wird.

Was macht das Projekt einzigartig?

Im Bereich der Implantate ist diese Art der Oberflächenbehandlung vollkommen neu: Es gibt nur wenige Lösungen für Medizinprodukte, die mit einer antibiotikahaltigen Beschichtung arbeiten. Deren Herstellungsprozess ist allerdings viel aufwendiger als bei MAOmed. Denn das Verfahren von Fraunhofer ist besonders einfach und kostengünstig: Es genügen im Wesentlichen ein Netzteil und eine Kühleinrichtung für das Tauchbad. Bei Bedarf lässt sich die Beschichtung daher direkt im Operationssaal aufbringen – sogar unter „improvisierten“ Bedingungen, wie sie mitunter in Krisengebieten herrschen.

Titanschrauben mit MAO-Beschichtung
© Fraunhofer IFAM
Prozessübertragung auf komplexe Geometrien – Micro-Arc-Oxidation-Oberfläche auf Schrauben

Warum fördert die Fraunhofer-Zukunftsstiftung das Projekt?

Die Fraunhofer-Zukunftsstiftung fördert das Projekt MAOmed im Rahmen ihres Sonderprogramms »Rebuilding Ukraine«. Es soll dazu beitragen, den Therapieerfolg bei Kriegsverletzungen zu verbessern und den Patientinnen und Patienten weiteres Leid durch vermeidbare Entzündungen und Folgeschäden zu ersparen. Eine geringere Infektionsrate kann zudem helfen, das Gesundheitssystem bei der Nachsorge von Implantat-Operationen zu entlasten.
Darüber hinaus stärkt MAOmed langfristig die wissenschaftliche Partnerschaft zwischen Forschenden in Deutschland und der Ukraine. Für das Projekt arbeiten Mitarbeitende des Fraunhofer-Instituts IFAM und ein medizinisches Team des UNBROKEN National Rehabilitation Center in Lviv zusammen. UNBROKEN ist die größte Institution für die klinische Versorgung Kriegsversehrter in der Ukraine. Fraunhofer und UNBROKEN planen, die MAOmed-Technologie gemeinsam in die breite Anwendung zu bringen.

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